Kannst du dich gut anpassen?
Was ist Anpassung?
Den anderen begreifen, erfassen, in seinen Belangen spüren? Bist du so sensibel oder so ängstlich, dass du dich nicht vom Gegenüber abgrenzen kannst und ihm automatisch ‚deine‘ Macht gibst? Gehst du auf diese Person ein, so dass sie sich gut fühlt, erfasst und wahrgenommen?
Ist das gut?
Bleibst du da bei dir?
Ist es Empathie, Feigheit oder Angst?
Passt sich der andere auch dir an? Und wenn ja, möchtest du das?
Ich kenne das sehr gut von mir, von früher:
Ich helfe dem anderen, sich gut zu fühlen. Die entsprechend positive Reaktion meines Gegenübers habe ich vielfach beobachten können: wie die Menschen dann auf mich reagieren, mich mögen, mich anlachen, mich zum Freund haben wollen. Es scheint so zu funktionieren.
Ist es nur eine Schwäche oder auch eine Stärke?
Ich habe es immer als Schwäche empfunden. Andererseits, hätte ich das nicht so drauf gehabt, wäre ich mit meiner Struktur, mit meinem niedrigen Selbstwertgefühl, mit meiner Angst vor Menschen und vor Situationen nicht so weit gekommen, wie ich gekommen bin. In jeder Hinsicht.
Heute kann ich es getrost und sicher anders handhaben. Ich suche es mir selbst aus, wer, wann, wo, wie…ich leiste es mir, dass die Interaktion, die Freundschaft, die Begegnung zu mir passt. Wenn nicht, ist es auch gut, ich erkenne es und gehe weiter, mit mir. Es tut nicht weh. Nicht mehr.
Früher kamen dann Einsamkeits- und Verlassenheitsgefühle auf, die mich bewogen, die wohl gelittene Anpassung weiter zu praktizieren. Es war, als hielte mich ein starkes Band an einem inneren Platz, von dem aus ich nicht anders agieren konnte.
Anpassung kann auch eine Stärke sein, eine Qualität, die es weise einzusetzen gilt. Sie hilft mir, in bestimmten Momenten mehr über den anderen zu lernen, sein System besser zu begreifen. Ich kann mich überprüfen, dies mit meinen Empfindungen und Erfahrungen abgleichen. Ich kann entscheiden, ob und inwieweit ich meinen Horizont erweitern möchte, manchmal auch muss. Das alles kann geschehen, wenn ich offen bin, den anderen erfasse und mich auf ihn einschwinge.
Es darf nur nicht zu viel werden, ich darf mich dabei nicht aufgeben und das System des anderen so ergreifen, dass es plötzlich über dem meinem steht, dass ich den anderen wertvoller, besser, interessanter finde als mich selbst. Das war ehemals meine Falle. Immerhin, ich weiß es, dass ich dazu neige, dem anderen zu viel von mir zu geben, ihn zu sehr zu bestätigen und mich derart anzupassen, dass keine Grenze mehr zwischen ihm und mir existiert. Das ist ungesund. Auch für den anderen. Er kann sich nicht in seinen Themen spüren, es streichelt einfach nur enorm das Ego.
Als spiritueller Mensch bin ich eine egobrechende Kraft. Das ist kein Machtmissbrauch, es geschieht ohne eigenes Wollen, in dem Maße, wie das innere Licht bereits strahlen kann. Jedes fühlende Wesen hat diese Lichtkraft in sich. Es ist so gesehen nichts Besonderes, sondern etwas Natürliches, Ursprüngliches. Ich darf und kann mich weit über meine erschaffenen, kultivierten Toleranzgrenzen und Limitierungen erheben. Ohne dass ich es früher so hätte formulieren können, ist dieses universelle ewige Wissen in uns angelegt.
Die Diskrepanz zwischen einem erhabenen Zustand und den begrenzten Möglichkeiten, die ich damals in mir fand, erzeugte viele Ängste. Es waren Verlustängste, die Angst, nicht gemocht zu werden, bloßgestellt zu werden, angegriffen zu werden und keine Ressourcen zu haben, dem adäquat zu begegnen. Deswegen habe ich oft die rationale Machtstrategie gewählt, also, von Anfang an auf Ego, Kraft und intellektuelle Überlegenheit gesetzt. Damit ich den anderen in Schach halte, um gar nicht erst Gefahr zu laufen, dass meine Schwächen ersichtlich werden und ich verletzt werde.
Du meinst, ein solches Verhalten ist ein Widerspruch zur Anpassung? Ich glaube, es ist einfach die andere Seite der Medaille. Arroganz – Minderwertigkeit, Aggression – Traurigkeit beispielsweise finden sich jeweils in beiden Waagschalen. Das eine verdeckt das andere. Je nach der individuellen Erfahrung und psycho-emotionalen Prägung zeigt ein Mensch vordergründig vorrangig eine der beiden Qualitäten.
Dem habe ich früher geglaubt, diesem Erscheinungsbild. So konnte ein aggressiv, scheinbar selbstbewusst auftretender Mensch mich in Sekunden einschüchtern und ein Mensch mit eindeutig erkennbarem Minderwertigkeitskomplex meinen Beschützerinstinkt herausfordern.
Ich konnte mich nicht abgrenzen und bin dem Energiesystem sowohl des einen als auch des anderen Charakters gefolgt. Ich war unterlegen und angepasst, oder ich war überlegen und angepasst. Es gab immer jede Menge Menschen, die mich schätzten und mit mir befreundet sein wollten.
Kein Wunder, es stärkt immer, wenn die eigenen Ideen und Haltungen mehr oder weniger bedingungslos unterstützt und mitgetragen werden.
Seitdem ich meine Meinung vertrete und Grenzen setze, erlebe ich immer wieder Reaktionen, die in unterschiedlichen Schattierungen zeigen, dass dies nicht willkommen ist. Menschen möchten scheinbar gerne instrumentalisieren. Sie brauchen andere, um sich selbst zu spüren, sich pathetisch gesagt eine Daseinsberechtigung geben zu können.
Das ist eindeutig nicht meine Mission. Mit wachsender Selbst-Verbundenheit kann ich es gut aushalten, wenn ich jemandem nicht gefalle. Auf Machtmissbrauch steige ich nicht mehr ein, weder in meine eigene Ego-Täuschung noch in die des anderen. Meine Ausrichtung ist es, die Macht, die ich wahrhaftig bin, zu leben, in Sanftmut, Klarheit, Ehrlichkeit, Selbst-Verbundenheit.
Anpassung ist alte Energie, gewaltfreie Wahrheit und bedingungslose Achtsamkeit ist neue Energie.
Spüre dich in deinen Grenzen, respektiere sie, beachte sie, sei liebevoll mit dir selbst. Sei eigenständig und rezeptiv. Nimm Gutes an und gib Gutes.
Es geschieht.
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